Der enorme Blutzoll des Ersten Weltkriegs (1914-1918) zeigt sich in den zahllosen Kriegerdenkmälern, die zumeist in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entstanden sind. Es sind so viele, dass nur intensive Recherche ihre jeweilige Entstehungszeit rekonstruieren könnte, da oft mehrere pro Jahr eingeweiht wurden. In Salzmünde befindet sich eine merkwürdige Anlage, bei der zentral ein Obelisk steht, links eine Gedenktafel für die Gefallenen angebracht ist und rechts eine scheinbar völlig deplatzierte zweite Gedenktafel für Johann Gottfried Boltze, der mit Kriegen nichts zu tun hatte.
Zweifelsohne haben beide Denkmäler ihre Berechtigung, doch wirkt ihre Kombination auf den ersten Blick völlig misslungen. Andererseits wird gerade dadurch der übliche Pathos der Kriegerdenkmäler entschärft, weil es den sogenannten Heldentod auf eine Stufe mit dem Tod eines verdienten Einwohners (Boltze galt deutschlandweit als vorbildlicher Großagrarunternehmer) stellt. Ähnlich wie im Fall des Bierhügels sind hier zwei schwer vereinbar scheinende Stätten zu einer verschmolzen. In Wahrheit sind es aber sogar drei, denn die Inschrift der linken Tafel verkündet:
Im Gedenken an die
Gefallenen
und
Vermissten
des 1. und 2. Weltkrieges
Dies zeigt wohl, dass hier ein ursprünglich nur für die Soldaten des Ersten Weltkrieges gedachtes Denkmal mehrfach umgewidmet und somit verändert wurde. Dass es ursprünglich nur diesen galt, erkennen wir an den typischen Elementen des Obelisken, wie Ehrenkranz und Soldatenhelm, die für Soldaten des Zweiten Weltkrieges in der Sowjetischen Besatzungszone oder ihrem Nachfolger der Deutschen Demokratischen Republik undenkbar gewesen wären.
Da dies auch für den Text gilt, stammen die Tafeln also aus der Zeit nach 1989. wohingegen Obelisk und Bänke aus den 1920er Jahren herrühren. Es ist bis heute eher unüblich, die deutschen Soldaten, Zivilopfer oder Vermissten des Zweiten Weltkrieges namentlich aufzuzählen. Vermutlich wurde aber einst der Toten des Ersten Weltkrieges hier namentlich gedacht, denn das war durchaus so Brauch.
Auf der rechten Gedenktafel steht:
Zur Erinnerung
an den Begründer
von Salzmünde
Johann Gottfried Boltze
* 14. 1. 1802 † 30. 5. 1868
Natürlich hat er den Ort nicht begründet, denn dieser lässt sich schon im Jahr 973 als Salzigunmunda nachweisen, aber es zeigt wie stark der Einfluss der Familie Boltze einen Wandel in Salzmünde verursachte, denn nach der Zerstörung der einst wichtigen Burg wurde der Nachbarort Pfützthal der Hauptort des Oberamtes Friedeburg und erlangte erst durch die Familie Boltze wieder Bedeutung, was insbesondere dem hier geehrten Johann Gottfried zu verdanken ist, der bereits mit 16 Jahren das Erbe des Vaters (Schenke, Tonförderung und Verkaufsweg an die Berliner Porzellanmanufaktur) antrat, eine Müllerstochter heiratete und aus diesem Besitz einen beeindruckenden Komplex schuf, der auch in den Berg- und Tagebau investierte und eine eigene Saaleflotte mit über 30 Kähnen besaß, so dass er in Landwirtschaft, Abbau von Gesteinen und Rohstoffen jeweils alles von der Förderung über die Veredelung bis hin zum Transport in seiner Hand hielt.
Zudem betrieb er Saatzucht, besaß über 10.000 Morgen Acker und konnte so eine breite Produktpalette anbieten. Sein Werk ist in der Tat so imposant, dass er es bis hin die gängigen Nachschlagewerke der bedeutendsten Persönlichkeiten Deutschlands schaffte, und dort neben Johann Wolfgang von Goethe und Otto dem Großen steht.
Somit wird hier an einer Stelle und mit einem Denkmal ganz verschiedener Personen und Anlässe gedacht, was der an den Platzrand an der Durchgangsstraße gedrängten Stätte einen sehr ungewöhnlichen Charakter verleiht. Es erscheint fast unwahrscheinlich, dass sich noch jemand die Zeit nimmt und sich auf eine der beiden Steinbänke setzt, um an die Opfer von Großmachtstreben oder aber den fast schon legendären Bewohner zu denken, während die Autos neben ihm parken, in der Gaststätte gegenüber sich die Menschen erholen und der Verkehr entlang der Saale vorbeirollt.
Gerade dieser Anachronismus macht das Denkmal aber so besonders, denn es bleibt zu hoffen, dass der eine oder andere Passant eben doch über dieses stolpert und sich Gedanken über seine Aussagen macht. Wie würde Salzmünde ohne die sinnlosen Weltkriege heute aussehen, die ihm vor allem die jungen und tatkräftigen Männer stahlen? Was wäre der Ort ohne die Familien Boltze und Wentzel heute? In wie vielen Ländern liegen unentdeckt Menschen, die einst hier vorbeigingen als es noch kein Denkmal gab oder die später selbst hier ihrer Verwandten und Freunde gedachten - nicht ahnend, dass man auch ihrer einst hier gedenken würde. Laut der Homepage des Ortes stammt es aus dem Jahr 1920.